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Evidenzbasierte Politik am Beispiel der Evaluierung des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung  Aktuelles

Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) veranschaulicht mit der Evaluierung des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung, wie evidenzbasierte Politik funktioniert. Das am 22. Juni 2019 in Kraft getretene Gesetz wurde in den Jahren 2023 und 2024 evaluiert. Die Ergebnisse der Evaluierung bilden die Grundlage für die Überarbeitung des Vergütungssystems von beruflichen Betreuerinnen und Betreuern, berufsmäßigen Vormünderinnen und Vormündern und Pflegerinnen und Pflegern, die mit dem am 21. März 2025 verabschiedeten Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 (KostBRÄG 2025) umgesetzt wurde. 

Erstmalige Anpassung des Vergütungssystems von beruflichen Betreuerinnen und Betreuern

Mit dem Gesetz aus dem Jahr 2019 wurde das seit 2005 bestehende Vergütungssystem von beruflichen Betreuenden erstmals angepasst. Kernanliegen war, die Einzelabrechnung auf Fallpauschalen umzustellen. Während sich die Vergütung vorher anhand von Einzelabrechnungen berechnete, wurden mit der Neuregelung 60 Fallpauschalen eingeführt, die sich u.a. nach der Ausbildung der betreuenden Person richten und die Abrechnung erleichtern sollte. Mit dem neu geschaffenen System sollten zusätzliche Anreize für Betreuungen mit hoher Qualität geschaffen werden. Mit der Evaluierung dieses Gesetzes sollte insbesondere überprüft werden, ob die für berufliche Betreuerinnen und Betreuer neu eingeführten Fallpauschalen angemessen und praktikabel sind.

Das Bild zeigt ein Kind, das die Hand eines Erwachsenen hält, im Hintergrund ist verschwommen ein Weg im Wald zu sehen (© panthermedia.net / olechowski / B11672231)

Die Kompetenzstelle der Bundesregierung für Evaluierung im Dienstleistungszentrum für Bessere Rechtsetzung im Statistischen Bundesamt (StBA) unterstützte das BMJ bei der Planung und Durchführung dieser Evaluierung. Die Zusammenarbeit erstreckte sich dabei über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

Groß angelegte Online-Befragung – über 11.000 Teilnehmende

Eine groß angelegte Online-Befragung unterschiedlicher Adressatengruppen bildete das Kernelement der Evaluierung. Unter anderem wurden selbstständige berufliche Betreuerinnen und Betreuer, Vereinsbetreuerinnen und -betreuer, Leitungen von Betreuungsvereinen sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit dem neuen Vergütungssystem und seinen Fallpauschalen befragt. In einem Zeitraum von November 2023 bis Januar 2024 nahmen insgesamt über 11.000 Personen an der Online-Befragung teil. Das StBA unterstützte das BMJ vor allem bei der Konzeption der Fragebögen, der Umsetzung der Online-Befragung sowie der Auswertung der Daten und Freitextantworten – bei letzterem auch teilweise mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Das BMJ veröffentlichte den Evaluierungsbericht am 16. September 2024.

Ergebnis der Evaluierung: Neues Vergütungssystem gilt als zu komplex und bürokratisch

Die Ergebnisse der Evaluierung zeichnen ein eindeutiges Bild: Die zentrale Erkenntnis ist, dass die Praktikerinnen und Praktiker das neue Vergütungssystem mit 60 Fallpauschalen als zu kompliziert und bürokratisch einschätzen. Rund 60 % der befragten Betreuerinnen und Betreuer empfinden das System demnach als "überhaupt nicht angemessen". Vermehrt wurde der Wunsch nach einem vereinfachten, transparenten und bürokratieärmeren Verfahren geäußert. 

Im Lichte der umfassenden Ergebnisse der Evaluierung wurde das Vergütungssystem für berufliche Betreuerinnen und Betreuer in dem o.g. Gesetz nun grundlegend überarbeitet und vereinfacht. Konkret wurde die Anzahl der Fallpauschalen von 60 auf 16 reduziert und in ein zweistufiges System überführt. Ebenso wurde die Differenzierung nach dem Vergütungskriterium "Wohnform des Betreuten" vereinfacht, für die Unterscheidung nach der "Dauer der Betreuung" nur noch zwei vergütungsrelevante Zeiträume – bis zu einem oder länger als ein Jahr – vorgesehen sowie zusätzliche Sonderpauschalen ganz abgeschafft. 

Das Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 wurde am 31. Januar 2025 vom Deutschen Bundestag beschlossen; der Bundesrat hat am 21. März 2025 seine Zustimmung erteilt. Das Gesetz wird am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Die Ex-ante-Erfüllungsaufwandsschätzung ergab eine Entlastung der Betreuungsgerichte von rund 24 Millionen Euro durch die Reduzierung der Fallpauschalen und der einhergehenden Vereinfachung des Vergütungssystems.  

Positivbeispiel für evidenzbasierte Politik 

Die Evaluierung des "Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung" kann insgesamt als Positivbeispiel für evidenzbasierte Politik angesehen werden. Sie trägt dem Prinzip des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) – Evaluate First – Rechnung. Bevor Rechtsänderungen vorgenommen werden, sollen die bestehenden Regelungen und Verfahren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden. Mit der groß angelegten Online-Befragung verschiedener Betroffenengruppen konnte das BMJ auf eine breite Datenbasis zugreifen, auf Grundlage derer die Entscheidung getroffen wurde, wie das Vergütungssystem anzupassen ist. Durch die Anpassung des Vergütungssystems konnte Bürokratie in den zuständigen Behörden abgebaut werden.

Mit der Neuregelung des Vergütungssystems geht der Kreislauf weiter: Das BMJ beobachtet die Auswirkungen der Neuregelung auf die Anwendungspraxis fortlaufend, um potenziellen Änderungsbedarf zu identifizieren.

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